Das Inkrafttreten der DSGVO hat bei vielen Fotografen, Videografen und anderen Medienschaffenden Fragen und Unsicherheiten darüber ausgelöst, wie sich die zukünftige Rechtslage im Hinblick auf die Aufzeichnung von Personen darstellen wird. Die Absage der Internet-Liveübertragung des Fronleichnahm-Gottesdienstes durch das Erzbistum Freiburg ist nur eines einer ganzen Reihe von Beispielen, in denen sich diese Rechtsunsicherheit ausdrückt.
Personenaufnahmen sind Daten i.S.d. DSGVO
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Lichtbilder und Videos, in denen Menschen erkennbar abgebildet sind, unter die Definition der personenbezogenen Daten i.S.d. DSGVO fallen. Art. 4 Nr. 1 definiert
„personenbezogene Daten“ [als] alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind.
Es liegt auf der Hand, dass Personenfotos oder -videoaufnahmen grundsätzlich geeignet sind, die abgebildeten, bzw. aufgezeichneten natürlichen Personen anhand ihres Aussehens, einschließlich physiologischer, und – ggf. und je nach Situation – kultureller und sozialer Merkmale zu identifizieren.
Folglich liegt also bei jeder digitalen Aufnahme von Menschen eine Datenerhebung vor, die den Anwendungsbereich der DSGVO – und damit aber auch ihrer Ausnahmeregelungen – eröffnet.
Ausnahmen für private Fotografen
Die Datenschutzgrundverordnung gilt ausweislich der Regelung ihres sachlichen Anwendungsbereichs nach Art. 2 Abs 2 lit. c DSGVO nicht für die Datenverarbeitung
durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten.
Das bedeutet, dass die Aufnahme, Speicherung und weitere Verarbeitung von Foto- und Videomaterial im privaten Bereich weiterhin datenschutzrechtlich unbedenklich ist. Diesbezüglich bleibt es also bei der bisherigen Rechtslage (dazu sogleich).
Die DSGVO konkretisiert die private und familiäre Datenerhebung und -verarbeitung in ihrem Erwägungsgrund 18 folgendermaßen:
Diese Verordnung gilt nicht für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten und somit ohne Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen wird. Als persönliche oder familiäre Tätigkeiten könnte auch das Führen eines Schriftverkehrs oder von Anschriftenverzeichnissen oder die Nutzung sozialer Netze und Online-Tätigkeiten im Rahmen solcher Tätigkeiten gelten.
Bemerkenswert daran ist, dass hier die Nutzung sozialer Netzwerke sogar ausdrückliche Erwähnung findet. Zwar entfalten die Erwägungsgründe der DSGVO – anders als die Verordnungs-Artikel selbst – keine unmittelbare Rechtswirkung, jedoch sind sie bei der Auslegung der Artikel besonders zu berücksichtigen und heranzuziehen.
Datenschutzrechtlich unbedenklich sind in diesem Zusammenhang auch Fotografien oder Videoaufnahmen Verstorbener. Erwägungsgrund 27 der DSGVO bestimmt nämlich:
Diese Verordnung gilt nicht für die personenbezogenen Daten Verstorbener.
An dieser Stelle wichtig ist allerdings der Hinweis, dass die hier angestellten Überlegungen nur datenschutzrechtlicher Natur sind und sich aus anderen Rechtsvorschriften durchaus Besonderheiten für Aufnahmen im privaten oder familiären Bereich, bzw. für solche von Verstorbenen ergeben können. Beispielhaft erwähnt seien das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) – dazu sogleich – oder der s.g. postmortale Persönlichkeitsschutz, welcher sich aus der Menschenwürdegarantie ergibt.
Die bisherige Rechtslage
Aus datenschutzrechtlicher Sicht war das Anfertigen von Foto- oder Videoaufnahmen – sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich – bislang weitgehend unproblematisch. Denn das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) mit all seinen Erleichterungen ging dem Bundesdatenschutzgesetz (alt) als spezielleres Recht (lex specialis) vor. So bestimmte § 1 Abs. 3 S. 1 BDSG (alt):
Soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor.
Das hatte zur Folge, dass das Kunsturhebergesetz vollumfänglich galt. Es sah für die Anfertigung und Veröffentlichung von Personenaufnahmen die – grds. nicht widerrufliche – Einwilligung des Abgebildeten vor (§ 22 KunstUrhG). Jedoch gab es weitreichende Erleichterungen für Medienschaffende: So waren Personenaufnahmen von s.g. „Personen der Zeitgeschichte“, Aufnahmen im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen oder Aufzügen, Aufnahmen, bei denen Personen lediglich als Beiwerk abgebildet sind und Aufnahmen, die einem „höheren Interesse der Kunst“ dienen, ohne die Einwilligung der Abgebildeten zulässig.
Die neue Rechtslage
KunstUrhG weiterhin lex specialis?
Die erste Frage, die sich seit Inkrafttreten der DSGVO stellt, betrifft das Verhältnis von DSGVO und KunstUrhG. Grundsätzlich gilt letzteres in Deutschland unverändert fort. Fraglich ist allerdings nunmehr, ob die kunsturheberrechtlichen Regeln der DSGVO nach wie vor vorgehen. Dies muss wohl aus zweierlei Gründen verneint werden: Zum einen ergibt sich aus Art. 23 Abs. 1 GG in Verbindung mit den entsprechenden Regelungen des EU-Vertrages ein umfangreicher Anwendungsvorrang europäischen Rechts. Dieser gilt selbstverständlich auch für die DSGVO. Zum anderen sieht die DSGVO – im Gegensatz zum alten BDSG – grundsätzlich keine Subsidiaritätsregel für spezielleres nationalstaatliches Recht vor.
Art. 85 DSGVO einschlägig?
Der europäische Gesetzgeber sieht in Art. 85 DSGVO eine umfangreiche Öffnungsklausel vor, um es den Mitgliedsstaaten zu ermöglichen, das Datenschutzrecht mit mit der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit in Einklang zu bringen. Art. 85 Abs. 1 DSGVO lautet:
Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang.
Soweit, so klar. Unklar bleibt allerdings in diesem Zusammenhang, wie weit diese Öffnungsklausel insgesamt geht – und damit auch, ob das KunstUrhG und seine Anwendbarkeit auf gewerbliche Fotografie davon umfasst sind. Denn bereits Art. 85 Abs. 2 DSGVO schränkt die Öffnungsmöglichkeit der Mitgliedsstaaten ein:
Für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, sehen die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen […] vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.
Unstreitig scheint insofern zu sein, dass das s.g. Medienprivileg, also die Zulässigkeit der Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken, weiterhin uneingeschränkt und unabhängig von der DSGVO gilt. Ob es jedoch dem Willen des europäischen Verordnungsgebers entspricht, die gewerbliche Fotografie ebenfalls unter die Öffnungsklausel fallen zu lassen, darf bezweifelt werden.
Die Auffassung des Innenministeriums
Das Bundesinnenministerium (BMI) scheint jedoch genau dieser Auffassung zu sein. Auf die Frage eines Bürgers zum Thema antwortete das BMI wie folgt:
„Gerne nehme ich vertiefend zu Ihren Fragen Stellung. Um Wiederholungen zu vermeiden, möchte ich jedoch eingangs erneut betonen, dass sich aus der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und den diese ergänzenden nationalen Gesetzen keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage bei der Anfertigung und Verbreitung von Fotografien ergeben.
Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine – wie bislang schon – jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) stützen können. Diese Erlaubnistatbestände (nach geltender Rechtslage Art. 7 der geltenden EU-Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG i.V.m. den nationalen Umsetzungsgesetzen) decken seit vielen Jahren datenschutzrechtlich die Tätigkeit von Fotografen ab und werden in Art. 6 DS-GVO fortgeführt. Die Annahme, dass die DS-GVO dem Anfertigen von Fotografien entgegen stehe, ist daher unzutreffend.
Für die Veröffentlichung von Fotografien bleibt das Kunsturhebergesetz auch unter der ab dem 25. Mai 2018 anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung erhalten. Es sind, wie ich bereits in meiner Antwort ausgeführt habe, keine Änderungen oder gar eine Aufhebung mit Blick auf die Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen.
Die Ansicht, das Kunsturhebergesetz werde durch die DS-GVO ab dem 25. Mai 2018 verdrängt, ist falsch. Das Kunsturhebergesetz stützt sich auf Artikel 85 Abs. 1 DS-GVO, der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit eröffnet. Das Kunsturhebergesetz steht daher nicht im Widerspruch zur DS-GVO, sondern fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DS-GVO ein. Eine gesetzliche Regelung zur Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes ist nicht erforderlich. Ebenso führen die Ansätze anderer Mitgliedstaaten, die sich in allgemeiner Form zum Verhältnis von Datenschutz und Meinungs- und Informationsfreiheit verhalten, in der praktischen Umsetzung nicht weiter und führen nicht zu mehr Rechtssicherheit.Die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit fließt zudem unmittelbar in die Auslegung und Anwendung der DS-GVO ein, insbesondere stellen sie berechtigte Interessen der verantwortlichen Stellen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO dar. Die DS-GVO betont, dass der Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist , sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (Erwägungsgrund 4). Zu den von der DS-GVO in diesem Zusammenhang genannten Grundrechten zählt ausdrücklich auch die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit.
Ich würde mich freuen, wenn die vorstehenden Ausführungen dazu beitragen, Ihnen Ihre Befürchtungen zu nehmen.
(…)
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
– Bürgerservice -„
Es sei an dieser Stelle jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Meinung mit guten Gründen angezweifelt werden darf und keineswegs bindend ist. Vor allem sind Gerichte, die sich früher oder später mit der hiesigen Streitfrage werden beschäftigen müssen, nicht an die Rechtsauffassung des Innenministeriums gebunden. Fotografen sollten sich also nicht zwangsläufig auf diese Stellungnahme verlassen.
Fotografie bleibt weiterhin möglich
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die DSGVO das KunstUrhG – jedenfalls für die Anfertigung, Speicherung und Verarbeitung von Personenaufnahmen – verdrängt, bleibt es für Fotografen und andere Medienschaffende auch im gewerblichen Bereich weiterhin möglich, ihrem Geschäft nachzugehen. Denn es wird „lediglich“ eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO für die Datenverarbeitung in Form von Personenaufnahmen benötigt. Dies muss nicht unbedingt zwangsläufig in jedem Falle eine Einwilligung des Betroffenen gegenüber dem Fotografen sein. So braucht der Fotograf keine Einwilligung, wenn er ein Model fotografiert, das für diese Tätigkeit bezahlt wurde, bzw. wenn ein Vertrag zwischen Fotograf und Fotografierten besteht, Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO. Fotografen haben nach Art 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auch die Möglichkeit, über eine Interessenabwägung eine Erlaubnis über die Anfertigung von Fotografien zu erlangen. Diese Interessenabwägung erfolgt dabei zwischen Fotograf, bzw. seinem Auftraggeber und dem Abgebildeten. Aus Erwägungsgrund 47 zur DSVGO ergibt sich, dass die vernünftige Erwartung des Fotografierten, der im Verhältnis zum Verantwortlichen steht, Berücksichtigung finden muss. So ein Verhältnis besteht beispielsweise dann, wenn die fotografierte Person ein Kunde des Auftraggebers ist oder wenn diese absehen konnte, dass eine Verarbeitung unter den gegebenen Umständen stattfinden könnte. Dies kann bei öffentlichen Veranstaltungen beispielsweise durch Hinweisschilder auf die Fotoaufnahmen bewerkstelligt werden.
Gewerblich tätigen Fotografen und Videografen bleibt es selbstverständlich unbenommen, personenbezogene Daten ihrer Models, bzw. Gefilmten im Rahmen der Vertragserfüllung auch weiterhin zu erheben. Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO können in diesem Zusammenhang beispielsweise unter Verweis auf eine Datenschutzerklärung -, die etwa auf einer Webseite veröffentlicht wird – erfüllt werden.
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