Herstellungsbeitrag II in Sachsen-Anhalt (§ 13b und § 18 Abs. 2 KAG LSA)

Im vergangenen Jahr ergingen unzählige Beitragsbescheide zum „Herstellungsbeitrag II“ und überraschte zahlreiche sog. Altanschlussnehmer, d.h. Eigentümer von bereits zu DDR-Zeiten an Einrichtungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung angeschlossenen Grundstücken. Diese sollen nach über 24,5 Jahren zu den Kosten den Anschlusses nachträglich „zur Kasse“ gebeten werden.

Hintergrund dieser Welle von Beitragsbescheiden ist die Novellierung des Kommunalabgabengesetz von Sachsen Anhalt (KAG LSA) und der Druck der dem Innenministerium untergeordneten Kommunalaufsichtsbehörde. Diese hat die Kommunen und Abwasserzweckverbände dazu angehalten, die Beiträge nachträglich zu erheben.

Der Landesgesetzgeber reagierte mit der Neuregelung des KAG LSA auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013, welches richtigerweise klarstellte, dass Regelungen zur Festsetzungsverjährung kommunaler Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt ausgestaltet sein dürfen. Eingeführt wurden daher die Regelungen des § 13b und zeitgleich die Übergangsregelung des § 18 Abs. 2 KAG LSA.

Dem Abgabengläubiger wird mit ihnen eine Höchstfrist von zehn Jahren nach jeweiliger Vorteilserlangung (Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die entsprechende Einrichtung) zur Beitragserhebung gesetzt, welche jedoch nicht vor Ende des Jahres 2015 enden soll (Übergangsregelung). Dies bedeutet im Klartext, dass die Frist für die Erhebung der Beiträge auf 24,5 Jahren festgelegt wurde.

Noch komplizierter wird die Rechtslage, weil dies nur in den Fällen gilt, in denen in der Vergangenheit keine oder nur eine unwirksame Beitragssatzung durch die jeweilige Gemeinde erlassen wurde. Wenn aber eine wirksame Satzung vor Jahren einmal erlassen wurde, dann dürfen Beitragsbescheide nur innerhalb von 4 Jahren nach der Satzung erlassen werden.

Betroffene reagierten mit zahlreichen Widersprüchen und Anträgen auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Beitragsbescheide. Das Innenministerium in Sachsen-Anhalt forderte die Verbände offenbar aus wahlkampftaktischen Gründen per Erlass am 26.01.2016 auf, „über anhängige Widersprüche und über die sofortige Vollziehung von Beitragsbescheiden zum Ausgleich von Vorteilslagen, die unter die Übergangsregelung nach § 18 Abs. 2 KAG LSA fallen, auszusetzen“, bis „die Rechtslage in Sachsen-Anhalt auch im Hinblick auf die Regelungen zur zeitlichen Obergrenze für die Beitragsfestsetzung (§ 13 b, 18 Abs. 2 KAG LSA) einer rechtlichen Prüfung“ unterzogen wurden.

Trotz dieses Erlasses lehnten die Kommunen und Verbände jedoch die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung ab, es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes.

Solche Zweifel bestehen jedoch sehr wohl.

Die Zehn-Jahres-Höchstfrist des § 13b KAG LSA scheint zunächst verfassungsrechtlich zulässig. Damit würde, betrachtet man diese Regelung isoliert, ein fairer Ausgleich der Interessen der Allgemeinheit auf einen Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit, Belastungsklarheit und Rechtsfrieden geschaffen.

Die Übergangsregelung des § 18 Abs. 2 KAG LSA ist jedoch verfassungsrechtlich problematisch, weshalb seine Anwendung der verfassungsgerichtlichen Klärung bedarf. Die Neuregelung führt nämlich im Nachgang dazu, dass Altanschlussnehmer bis Ende 2015 für öffentliche Ausgaben, die 24,5 Jahre zurückliegen, herangezogen werden konnten. Dieser Zeitraum erscheint erheblich überdimensioniert.

Die Rechtmäßigkeit dieser langen Zeitperiode wird seitens des Gesetzgebers damit zu rechtfertigen versucht, dass der Vorteil bzgl. der Inanspruchnahme einer Wasserver- und Abwasserentsorgungseinrichtung schließlich auch weit in die Zukunft reiche. Ein Verstoß gegen das Abwägungsverbot bestehe hier nicht, da die Belastung für Abgabenpflichtige in der Relation nicht unzumutbar erscheine. Zudem bestünde kein besonderes wirtschaftliches Interesse des Abgabepflichtigen an einer möglichst zeitnahen Geltendmachung der Beitragsansprüche. Entscheidend sei auch auf die besonderen Schwierigkeiten der neuen Bundesländer beim Aufbau einer funktionierenden Verwaltung, die längere Bearbeitungszeiträume nach sich ziehe, Rücksicht zu nehmen.

Diese Rechtfertigungsgründe sind jedoch unsere Erachtens veraltet und teilweise schlichtweg unzutreffend. Zudem wird bereits mit dieser Begründung deutlich gemacht, dass eine Höchstfrist von fast 25 Jahren eine sehr einseitige Lösung der Problematik zu Lasten des Beitragsschuldners darstellen dürfte.

Der Umstand, dass Anschlussnehmer lange Zeit von einem Anschluss an die Einrichtung profitieren, hat rechtlich keinen Einfluss auf die Grundsätze der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und das Vertrauen des Bürgers in die bestehenden Rechtsgrundlagen.

Die Regelung führt zu der absurden Lage, dass in den Fällen, in denen eine wirksame Satzung bereits vor vielen Jahren vorlag, eine Festsetzungsfrist von 4 Jahren greift, während in den Fällen, in denen keine oder eine unwirksame Satzung erlassen wurde, eine Festsetzungsfrist von 24,5 Jahren zum tragen kommt. Es besteht kein rechtfertigender Grund, warum in Altanschlussfällen von einer ursprünglich angedachten Festsetzungsfrist von vier Jahren rechtmäßig auf das sechsfache ausgedehnt werden sollte. Das Gebot der verfassungsrechtlich determinierten Belastungsklarheit wird hier völlig außer Acht gelassen.

Es besteht zudem auch ein rechtlich relevantes wirtschaftliches Interesse des Abgabepflichtigen an einer möglichst zeitnahen Geltendmachung der Beitragsansprüche. Die Planbarkeit und Finanzierbarkeit darf nicht unbedacht bleiben. Willkürliche und unüberschaubare Verlängerungsfristen führen zu Rechtsunsicherheit und verstoßen gegen das Rechtsstaatsgebot.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert