Die Vergaberechtsreform 2016 – Teil 1

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Im Jahre 2016 ist das deutsche Vergaberecht umfassend reformiert und modernisiert worden. Im ersten Teil unserer zweiteiligen Serie zur Vergaberechtsform 2016 wollen wir in die Thematik einführen und einen Teil der wichtigsten Neuerungen überblicksartig vorstellen. Der zweite Teil, der heute in einer Woche ebenfalls hier erscheinen wird, schließt den Überblick über die Neuerungen ab und gibt eine Zusammenfassung der praktischen Auswirkungen der Vergaberechtsreform seit ihrer Einführung.

Vergaberechtsreform 2016 – Einführung

Der deutsche Gesetzgeber hat im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) am 17.02.2016 die im „Paket zur Modernisierung des europäischen Vergaberechts“ zusammengefassten Richtlinien (Richtlinie 2014/24/EU, Richtlinie 2014/25/EU und Richtlinie 2014/23/EU) in nationales Recht umgesetzt. Zwei Monate später, am 12.04.2016, wurde die Vergaberechtsreform durch die s.g. Vergaberechtsmodernisierungsverordnung konkretisiert.. Sie regelt und präzisiert die Möglichkeiten, die durch das europäische Vergaberecht bietet, ergänzt die im GWB bereits getroffenen Erleichterungen für die Vergabe von Dienstleistungen und legt die Rahmenbedingungen für die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel fest.

Die wichtigsten Neuerungen der Vergaberechtsreform

Vorgeschriebene elektronische Kommunikation („e-Vergabe“)

Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten (§ 97 Abs. 5 GWB, §§ 9, 10, 11, 41, 53 Vergabeverordnung (VgV)) gilt der Grundsatz, elektronische Mittel zu verwenden. EU-weite Bekanntmachungen müssen elektronisch beim Amt für Veröffentlichungen der EU eingereicht werden. Dort muss zwingend eine Internetadresse angegeben werden, die sämtliche Vergabeunterlagen (§ 29 VgV) unentgeltlich, uneingeschränkt und vollständig so enthält, dass sie mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) abgerufen werden können (§ 41 Abs. 1 VgV). § 81 VgV sieht vor, dass die Umstellung auf e-Vergabe bis zum 18.10.2018 abgeschlossen zu sein hat. Die Digitalisierung des Vergaberechts stellt damit eine der tragenden Säulen der Vergaberechtsreform vor.

Vereinfachung und Digitalisierung der Signatur

§ 53 VgV regelt die Verwendung elektronischer Signaturen und Siegel. Verpflichtend Anwendung findet dies ebenfalls erst am 18.10.2018, allerdings besteht die Möglichkeit dazu bereits jetzt. Unternehmen sind dann verpflichtet, ihre Angebote, Teilnahmeanträge, Interessensbekundungen und -bestätigungen elektronisch in Textform (§ 126b BGB) mittels einfacher Signatur (z. B. eingescannte Unterschrift) einzureichen. Eine fortgeschrittene oder qualifizierte Signatur ist grundsätzlich nicht vorgesehen, kann aber in begründeten Ausnahmefällen verlangt werden. Öffentlichen Auftraggebern ist es generell freigestellt, Zuschlagserklärungen mit fortgeschrittenen Signaturen oder Ähnlichem zu versehen.

Konzessionen

Das GWB regelte in § 99 Abs. 6 GWB a. F. nur die Vergabe von Baukonzessionen. Mit den neuen § 97 Abs. 1, §§ 98, 101, 105 GWB wird nunmehr die Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen normiert. Die Abgrenzung von Konzessionen zu bloßen Bau- oder Dienstleistungsaufträgen wird nach der Rechtsprechung des  EuGH danach vorgenommen, ob die Übernahme des Betriebsrisikos erfolgt oder nicht. Das GWB sieht vor, dass regelmäßig der Konzessionsnehmer das Betriebsrisiko trägt. Die entsprechenden Verfahrensregeln sind in §§ 148 bis 154 GWB enthalten und werden zusätzlich in der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) konkretisiert. Der Schwellenwert, ab welchem ein Auftrag europaweit auszuschreiben ist, beträgt nun 5,225 Mio. EUR.

Monitoring durch die Bundesregierung und Pflicht zur Übermittlung von Vergabedaten

Seitens der Bundesregierung besteht eine Berichtspflicht gegenüber der Europäischen Kommission. Aus diesem Grund erheben die obersten Bundesbehörden in ihrem Zuständigkeitsbereich Daten über die vergebenen öffentlichen Aufträge. Die Bundesbehörden haben darüber hinaus die Pflicht, dem Bundeswirtschaftsministerium einen Überwachungsbericht zu erstatten, § 114 Abs. 1 GWB.

Vorbehaltene öffentliche Aufträge für bestimmte Auftragnehmer

§ 118 Abs. 1 GWB erlaubt es öffentlichen Auftraggebern, das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren für Behindertenwerkstätten und solche Unternehmen vorzubehalten, deren „Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von benachteiligten oder Menschen mit Behinderung“ ist. Der Wettbewerb findet dann nur noch zwischen diesen Unternehmen und den Werkstätten statt. Auch können die öffentlichen Auftraggeber solchen Unternehmen und Werkstätten nach § 141 SGB IX bevorzugt den Zuschlag erteilen. Die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Teilnehmerkreises ist § 118 Abs. 2 GWB zu entnehmen.

Arten von Vergabeverfahren

Die öffentlichen Auftraggeber können nun zwischen offenen und nicht offenen Verfahren mit zwingend vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb wählen, § 119 Abs. 2 GWB. Soll also kein offenes Verfahren stattfinden, müssen stattdessen zwei Verfahren (Teilnahmewettbewerb und nicht offenes Verfahren) durchgeführt werden.

Das Verhandlungsverfahren enthält darüber hinaus nun auch mehr Zulässigkeitstatbestände (§ 119 Abs. 5 GWB, § 14 Abs. 3 VgV).

Neu eingeführt wurde außerdem die Innovationspartnerschaft. Diese ist in § 119 Abs. 7 GWB definiert und dient dem öffentlichen Auftraggeber dazu, mit nur einem Vergabeverfahren sowohl die Entwicklung einer Innovation zu unterstützen als auch den anschließenden Erwerb diesbezüglich zu regeln. Die Innovationspartnerschaft darf jedoch nicht dazu genutzt werden, den Wettbewerb zu behindern, einzuschränken oder zu verfälschen.

Im nächste Woche erscheinenden Teil 2 unserer Serie zur Vergaberechtsreform 2016 erhalten Sie u.a. umfangreiche Informationen über die Neuregelungen zu den Voraussetzungen der Eignung für und den Ausschlussgründen vom Vergabeverfahren, Maßnahmen zur s.g. Selbstreinigung von Unternehmen nach Verstößen, die Vergabe sozialer oder anderer besonderer Dienstleistungen und den bisherigen Stand der Umsetzung, vor allem mit Blick auf die intendierte Digitalisierung von Vergabeverfahren. 

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